Deutsche Bahn AG DB Systemtechnik Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) von EDV-Anlagen im Bereich elektrischer Bahnen In den letzten Jahren hat die Anzahl von Fällen, in denen EDV-Anlagen durch elektrische Bahnen beeinflusst werden, erheblich zugenommen. Fast ausschließlich handelt es sich dabei um Beeinträchtigungen des Monitorbildes, d.h., um ein mehr oder weniger starkes Bildschirmflimmern. Die in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie in Norwegen und Schweden – technisch/historisch bedingte – niedrige 16,7-Hz-Betriebsfrequenz der elektrischen Bahnenergieversorgung wirkt sich an einem Monitor als Bildschirmflimmern visuell deutlicher aus, als z. B. die allgemeine Energieversorgung mit 50 Hz Betriebsfrequenz. Monitore reagieren aber nicht nur auf magnetische Wechselfelder. Auch entsprechend starke statische Gleichfelder z. B. von sehr nahe vorbeiführenden Gleichstrombahnen mit Oberleitung oder mit Stromschiene können sich durch leichtes Bildkippen, Schattenbildung, Verzerrungen gerader Linien und v.a. durch Farbverfälschungen bemerkbar machen. Diese Art der Beeinflussung ist allerdings vergleichsweise selten, da hier die generell vorhandene Gegenkompensation des Monitors gegen das natürliche statische Erdmagnetfeld zur Wirkung kommt. Die Physik lässt sich bekanntlich nicht auf den Kopf stellen! Dieses oft unangenehme Bildschirmflimmern ist physikalisch begründet. Ihm liegt folgende Ursache zugrunde: Das sich um einen stromdurchflossenen Leiter oder um eine elektrifizierte Bahnstrecke (bestehend aus der Oberleitung, ggf. auch parallelen Speiseleitungen als „Hinleiter“ bzw. den Fahrschienen als „Rückleiter“) konzentrisch ausbreitende magnetische Wechselfeld lenkt den Kathodenstrahl einer Bildröhre im Takt der Bahnfrequenz ab. Das Energieversorgungsprinzip von elektrischen Bahnen mit Oberleitung ist schon seit über 100 Jahren gleich und hat in den letzten 40 Jahren allenfalls durch die Intensität der Ströme (wegen dichterer Fahrpläne, leistungsfähigerer Triebfahrzeuge, höherer Reisegeschwindigkeiten) zugenommen. Zwischen summarischer, momentaner Stromhöhe auf der elektrifizierten Bahnstrecke und der Magnetfeldemission besteht ein linearer Zusammenhang. D. h., die Intensität des Flimmerns ist vom Summenstrom in der (den) Leitung(en) und Fahrschienen abhängig und schwankt betriebsbedingt sehr stark. Da in einem Versorgungs-(Speise-)Abschnitt in der Regel gleichzeitig mehrere Zugbewegungen stattfinden, ist oft ein alleiniger, ursächlicher Zusammenhang mit einem vorbeifahrenden Zug nicht direkt herstellbar. Es kommt auch auf die örtlich unterschiedliche Energieflussrichtung an. Neben der Entfernung zur Leitung bzw. Bahnstrecke hat auch die Aufstellung des Monitors in Bezug auf den Leitungsverlauf (parallel oder senkrecht) einen gewissen Einfluss auf die Intensität des Flimmerns. Schließlich spielen auch noch das Fabrikat und vor allem die Größe des Monitors eine Rolle. Generell gilt: Je größer der Monitor, um so empfindlicher reagiert er auf externe Magnetfelder! Seitens des Feldverursachers ist zu argumentieren, dass dem Minimierungsgebot bei der elektromagnetischen Störaussendung von Bahnen mit Oberleitung physikalische und vor allem konstruktive Grenzen gesetzt sind. Allein schon der systembedingte vertikale Abstand zwischen -2- Oberleitung, ggf. Speiseleitung(en) einerseits und den Fahrschienen andererseits und die bahntypische 1-polige Ausführung der gesamten Zuleitungen und Schaltanlagen führt zu vergleichsweise höheren Restmagnetfeldern als von Drehstromanlagen der allgemeinen Energieversorgung. Noch eine weitere Besonderheit: Da anteilige Bahnrückströme, ebenfalls systembedingt, teilweise auch über Erdreich zum speisenden Unterwerk zurückfließen, sind sie gerade in Ballungsgebieten mitunter auch in fremden Kabelschirmen, Rohrleitungen und großflächigen Fundamenterdern anzutreffen und können von dort ebenfalls eine Beeinflussung verursachen. Dennoch entsprechen die Bahnanlagen allen DIN VDE- Bestimmungen und Normen als sog. „anerkannte Regeln der Technik“. Demgegenüber die Monitorentwicklung Der Einsatz der EDV hat im letzten Jahrzehnt einen rasanten Zuwachs erfahren. Die vormals monochromen Monitore wurden zunehmend durch Farbmonitore ersetzt; die Bildschirmdiagonale wurde immer größer und damit immer empfindlicher gegen die magnetische Beeinflussung des Kathodenstrahles. Nicht selten beginnen heute 17“-Monitore bereits ab 0,8 µT, große 21“-Monitore schon ab 0,4 µT am Bildrand zu flimmern. Während die „Strahlungsarmut“ eines Monitors, d.h. die geringe Abstrahlung eigenerzeugter Magnetfelder auf den/die Bediener/in ein willkommenes Verkaufsargument darstellt und in diversen Normen (MPR II, TCO) festgelegt ist, wurde dagegen an deren Störfestigkeit gegenüber Einwirkungen von außen (zumindest vieler handelsüblicher Monitore) wenig getan – schließlich kostet dies Geld und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit des Produktes auf dem heißumkämpften internationalen Markt. Gegen das magnetische Gleichfeld der Erde wird jeder Monitor ganz selbstverständlich geschützt; jedoch bei fallweise auftretenden, äußeren magnetischen Wechselfeldern lässt man dagegen den Anwender gleichsam im „Magnetfeld-Regen“ stehen. Zumindest mehr vorsorgliche Aufklärung und Beratung seitens der EDV-Branche könnte der Anwender verlangen. Doch es blieb bisher meist dessen Problem, die Ursache einer Beeinflussung zu finden und sich mit dem Netzbetreiber (Verursacher) auseinander zu setzen. Fakt ist eben: Derartige Beeinflussungsfälle sind insgesamt zahlenmäßig zu selten, um andererseits die Hersteller zu veranlassen, serienmäßig die Störfestigkeit der Monitore zu verbessern! Normative Vorgaben Trotz dieser zweifellos für den EDV-Anwender in einem Beeinflussungsfall misslichen Situation herrscht dennoch keineswegs ein ungeregeltes Verhältnis. Da – wie ausgeführt – an den Bahnenergieversorgungsanlagen physikalisch und systembedingt keine wirkungsvolle Abhilfemaßnahme möglich ist (deshalb unterliegen elektrische Bahnen auch nicht dem „Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten – dem EMVG!), wurden verschiedene andere technische Regelwerke erarbeitet. In der DIN VDE-Bestimmung (Entwurf VDE 0228, Teil 6) wurde schon 1990 erstmals das elektromagnetische Umfeld von Hochspannungsleitungen und Bahn-Oberleitungsanlagen beschrieben, damit sich z.B. die Informationstechnik dagegen schützen kann. Der letzte, mit Stand Dezember 1992 veröffentlichte, nationale Normentwurf konnte wegen europäischer Harmonisierungsbestrebungen allerdings nicht mehr „endgültig“ (als sog. Weißdruck) herausgebracht werden. Seither wurde jedoch die Europanorm EN 50 121, Teil 1-5 (VDE 0115, Teil 121-1 bis 5), dessen Teil 2 speziell das elektromagnetische Umfeld elektrischer Bahnen hinlänglich beschreibt, veröffentlicht. Seitens der Monitorhersteller war bisher nur ein geringes Interesse zur vorsorglichen Aufklärung zu erkennen. Erst eine Novellierung des EMVG verpflichtete die Branche seit 01.01.1999, auf eine mögliche Magnetfeldempfindlichkeit ihrer Produkte wenigstens auf Verpackungen bzw. in der Bedienungsanleitung hinzuweisen. – Allerdings erreicht dieser Hinweis die Betroffenen meist zu spät! -3- Weitgehend unbekannt blieben bisher jedoch Normen, die die Mindeststörfestigkeit der EDV-Geräte (somit auch der Monitore) gegen Magnetfelder energietechnischer Frequenzen regeln. So existiert seit November 1997 mit einem Vorgänger vom März 1993 die EN 50082-1: „Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Fachgrundnorm Störfestigkeit, Teil 1: Wohnbereich, Geschäfts- und Gewerbebereiche sowie Kleinbetriebe“ Klassifikation VDE 0839, Teil 82-1, die eine Mindeststörfestigkeit gegen Magnetfelder energietechnischer Frequenzen von 3 A/m (= 3,77 µT) vorschreibt. Leider ist darin, bezogen auf Monitore, der Begriff „Störfestigkeit“ nicht eindeutig genug geregelt. Ist Bildschirmflimmern danach als „Störung“ oder allenfalls als hinzunehmende „Beeinträchtigung“ (da meist nur vorübergehend und von kurzer Dauer) einzustufen? Dem steht die Bildschirmarbeitsplatzrichtlinie 90/269/EWG, in bundesdeutsches Recht umgesetzt als Bildschirmarbeitsplatzverordnung (BildscharbV) vom 20.12.1996 entgegen, die Dauer, Häufigkeit und Intensität des Flimmerns unberücksichtigt lässt. Eine präzisere Regelung ist seit Mai 1999, zurückgehend auf eine Vornorm von Juni 1993 bzw. Dezember 1992 in der EN 55024: „Einrichtungen der Informationstechnik – Störfestigkeitseigenschaften Grenzwerte und Prüfverfahren“ Klassifikation VDE 0878, Teil 24 enthalten. Danach darf ein Monitor ungeachtet seiner Größe bei energietechnischer Magnetfeldbeeinflussung von außen bis zu einer Magnetfeldstärke von 1 A/m (= 1,256 µT) kein unzulässiges Bildschirmflimmern zeigen. Dieser Wert ist somit als Mindeststörfestigkeit eines Monitors zu bezeichnen. Flimmert ein Monitor bereits bei Magnetfeldern unter diesem Wert, so kann er nach allgemeiner Rechtsauffassung als nicht normgerecht beanstandet werden. Auch das CE-Zeichen würde er – streng genommen – zu Unrecht tragen! Die in den beiden EN genannten Störfestigkeitsgrenzwerte gegen Magnetfelder sind mit der entsprechenden Prüfstörgröße bei 50 Hz zu prüfen, da im allgemeinen 16,7-Hz-Prüfstörgrößen in den Testlabors der Hersteller nicht zur Verfügung stehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die 16,7-Hz- Bahnfrequenz (die auf einem Monitor mit dem Auge deutlicher erkennbar ist) die Normen nicht heranziehbar sind. Die Einhaltung der Mindeststörfestigkeit bei 50 Hz hat gleichermaßen Schutzfunktion im gesamten Niederfrequenzbereich, somit auch bei 16,7 Hz! Diese Normen dürfen in der EDV-Branche als bekannt vorausgesetzt werden. Dennoch erscheint es ratsam, Monitorhersteller und –lieferanten bei Anfragen und Bestellungen auf die Einhaltung dieser Mindeststörfestigkeit hinzuweisen. Auch die Baubranche bzw. die mit Verkauf oder Vermietung befassten Immobilien-Firmen sind an später auftretenden EMV-Problemen nicht ganz unbeteiligt. So müsste vorsorglich für jedes Areal in Bahnnähe mit Oberleitung, das beplant werden soll, ein EMV-Gutachten eingeholt werden. Damit schützt man sich gegen unliebsame, spätere Überraschungen schon im Vorfeld. Bei der Bauausführung sind vor allem zwei sehr wichtige DIN VDE-Bestimmungen zu beachten, die in die Ausschreibungstexte für die Elektro-bzw. auch für die Heizungs- und Sanitärinstallation aufzunehmen sind. Es sind dies die DIN VDE 0100 - 444 „Schutz gegen elektromagnetische Störungen in Anlagen von Gebäuden“ sowie DIN V VDE 0800-2-548 „Erdung und Potentialausgleich für Anlagen der Informationstechnik“. -4- Um auch bei Verkauf bzw. Vermietung von Bürogebäuden und Liegenschaften in Bahnnähe mit Oberleitung späteren Regressansprüchen vorzubeugen, sollte man sich bereits vorher durch ein messtechnisch untermauertes EMV-Gutachten Klarheit über die Beeinflussungssituation verschaffen. Derartige Messungen und Gutachten kann zwar jedes anerkannte EMV-Institut (z. B. auch der TÜV) erstellen, doch fehlen dort meist die speziell notwendigen Kenntnisse über die örtlichen Einflussfaktoren der Bahnstromversorgung und Bahnrückstromführung. Deshalb empfiehlt es sich wegen der bahnspezifischen Details, DB Systemtechnik München, TZF 15, als eine vom Eisenbahn- Bundesamt (EBA) anerkannte Prüf- und Messstelle damit zu beauftragen, das zudem über neutrale, „anerkannte Sachverständige“ verfügt. Abhilfemaßnahmen Was kann man als EDV-Anwender tun, wenn z. B. Monitore in der Nähe elektrifizierter Bahnstrecken Bildschirmflimmern zeigen? Als erfolgversprechende Abhilfe bleibt nur • Abstandsvergrößerung des Monitors zur Störquelle (nur bedingt erfolgversprechend), • Einzelabschirmung des Monitors mit einem sog. MUMETALL-Gehäuse (nicht mehr zeitgemäß), • Schutz des Monitors mittels eines sog. Kompensationswürfels (derzeit wirtschaftlich ab 21“Monitorgröße), • Verwendung der gegen Magnetfelder unempfindlichen LCD- bzw. TFT-Flachbildschirme (derzeit bis 19“-Monitorgröße eine wirtschaftliche Alternative). • U. U. lässt sich im Einzelfall auch eine Raum- oder Gebäudekompensation realisieren. Erfolg und Wirtschaftlichkeit sind jedoch von mehreren Faktoren abhängig und nur dann interessant, wenn eine größere Zahl von Monitoren gemeinsam geschützt werden können. Zur Auswahl von Abhilfemaßnahmen ist es zunächst erforderlich, die möglichen Störquellen nach Art, Richtung und Größe zu definieren. Meist wird es sogar erforderlich sein, die Höhe des Magnetfeldes, d. h. der magnetischen Induktion B (in A/m bzw. µT) vor Ort zu messen. Dabei ist auch einem etwaigen Bahnrückstromanteil auf parallel laufenden Rohrleitungen und fremden Kabelschirmen (manchmal sogar in größerer Entfernung noch von Bedeutung) Aufmerksamkeit zu widmen. Die Messmethode muss dreidimensional sein und DIN VDE 0848, Teil 1, entsprechen. Das verwendete Messgerät muss frequenzselektive Messungen ermöglichen, um auf das hauptsächlich beeinflussende Netz schließen zu können. Es ist ratsam, das Magnetfeld über mindestens einen Tag aufzuzeichnen, um auch tageszeitliche Spitzenwerte zu erfassen. Anmerkungen zu den Abhilfemaßnahmen Die Einzel-Abschirm-Methode von Monitoren mit sog. MUMETALL-Gehäuse hat in letzter Zeit stark an Bedeutung verloren. Gründe dafür sind die rel. hohen Kosten, die Einschränkung der Bildschirm- Arbeitsplatz-Ergonomie und mitunter nur eine Teilwirksamkeit, je nach Einfall der Magnetfeldlinien sowie die eingeschränkte Wiederverwendbarkeit des Gehäuses bei Monitortausch. - 5 - Bei einer Monitorgröße bis 19“ sind deshalb heute generell LCD- bzw. TFT-Flachbildschirme wirtschaftlicher als zusätzliche Abhilfemaßnahmen. Lediglich für vorhandene, größere Monitore ab 21“ Bildschirmdiagonale und in bestimmten Anwendungsfällen bei denen der Kathodenstrahl-Bildröhre noch der Vorzug gegeben wird, lässt sich eine nachträgliche Einzelkompensation mit Kompensationswürfel empfehlen. Mit einer Raum- oder Gebäudekompensation, lassen sich mehrere Monitore gemeinsam schützen. Die Erfolgsaussichten dieses Verfahrens sind jedoch von den Raum- bzw. Gebäudemaßen, dem Abstand zur beeinflussenden Leitung und nicht zuletzt von den (nachträglichen) Installationsmöglichkeiten und –kosten im Raum oder Gebäude abhängig. Für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich sind neben der Zahl der gemeinsam zu schützenden Monitore eingehende Messungen und Beurteilungen der Magnetfelder vor Ort durch eine Fachfirma erforderlich. DB Systemtechnik, TZF 15, gibt zu allen EMV-Fragen ergänzende Auskünfte. Deutsche Bahn AG DB Systemtechnik, TZF 15 EMV/EMF, Beeinflussung durch Bahnstrom Völckerstraße 5, 80939 München Telefon (089)1308-6346 oder –7572 Telefax (089)1308-2478